Zwei Gärten als Geschenk für die Natur

                                                       NOZ, 23.06.88

Naturschützer beerbten zwei alte Damen

Ganz unverhofft bekam der Bund für Umwelt und Naturschutz zwei verwilderte Gärten am Gertrudenberg geschenkt. Das 2800 Quadratmeter große Areal wäre beinahe einem Wendehammer geopfert worden, denn die Stadt wollte an der Terrasse bis vor kurzem ein Wohngebiet ausweisen. Der BUND will jetzt ein Naturgartenprojekt starten, um die Fläche sinnvoll zu nutzen.

Hätte es die Stadt bei der alten Planung von 1968 belassen, dann wäre aus den alten Terrassengärten am Südhang des Gertrudenberges ein Baugebiet geworden – mit noblen Einfamilienhäusern, einer Stichstraße und einem Wendehammer. Elisabeth und Ruth Japing, zwei pensionierte Oberstudienrätinnen aus Osnabrück, hätten das Gelände wohl oder übel verkauft. Seit langem sind die Gärten im Besitz ihrer Familie. Beide Schwestern sind schon über 80 und leben in Altenheimen; die eine in Lüneburg, die andere in Hannoversch Münden. Als Naturliebhaberinnen blickten sie mit Argwohn auf den Raubbau am innerstädtischen Grün. Nach Auskunft der ehemaligen Verwalterin handelten die beiden Oberstudienrätinnen nach der Devise: „Was in unserer Macht steht, wollen wir tun, damit unsere Erde erhalten bleibt.“ Als vor kurzem bekannt wurde, daß mit dem neuen Bebauungsplan 147 auf jegliche Bebauung verzichtet wird (wir berichteten), entschieden sich die kinderlosen Schwestern zu einer guten Tat: Sie vermachten die Gärten per Schenkungsurkunde dem Naturschutzverband, damit das Grün dauerhaft erhalten bleibt. Beim BUND hatte niemand mit dem großzügigen Geschenk gerechnet. Die Naturschützer wollen jetzt erst einmal die Vegetation bestimmen, die sich auf den durch eine Hecke getrennten Flächen angesiedelt hat. Christiane Balks, Prof. Christoph Repenthin von der Osnabrücker Kreisgruppe erklärten kürzlich bei einem Ortstermin, die spontan entstandene Vielfalt solle möglichst erhalten bleiben. An dem Wildkraut werden die Naturschützer noch ihre Freude haben: Der seit rund zehn Jahren nur noch sehr extensiv genutzte untere Garten ist teilweise vom Giersch vereinnahmt worden. Dessen weitverzweigte Wurzeln genießen in den Gärtnerkreisen nicht gerade einen guten Ruf. Auch andere Pflanzen lassen erkennen, daß der wirtschaftliche Nutzen in der Vergangenheit nicht im Vordergrund stand. Das kommt den Naturschützern sehr gelegen. Ohne große Eingriffe wollen sie verschiedene Elemente in das Gefüge integrieren – zum Beispiel einen Kompostgarten, einen Kräutergarten, Hügelbeetkultur, Beerenobst und Bienennährpflanzen. Aber auch zum Experimentieren soll der Freiraum genutzt werden. Vergleiche ließen sich ziehen zwischen geschnittenen oder ungeschnittenen Hecken, und auch alte Rosensorten könnten auf dem Terrassengrundstück wachsen. Christoph Repenthin erinnerte in diesem Zusammenhang an den Gartenarchitekten Leberecht Migge, dessen progressive Schriften aus der Zeit von 1910 bis 1930 in Fachkreisen noch heute großen Aufmerksamkeitswert besitzen Vielleicht wird Leberecht Migge Namenspatron für den Terrassengarten.

Daß sich der BUND als würdiger Erbe für das Wildgartengelände versteht, unterstrich Rüdiger Wormuth beim Ortstermin: Der Verband habe sich seinerzeit gegen die Bebauung engagiert, jetzt setze er sich folgerichtig für die Pflege des geretteten Bestands ein.



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